Wie alles begann...

 

Lange vor der Gründung des Arbeitskreises (AK) Marterl hat es bereits Bemühungen um den Erhalt der Flurdenkmale im Bereich der heutigen Gemeinde Weyarn gegeben.

 

Spiritual Ernst Kretschmer befasste sich während seiner Seelsorgezeit in Holzolling, von 1946 bis zu seinem Tode 1997, mit der Erfassung und geschichtlichen Aufarbeitung der Bildstöcke und Feldkreuze.

 

Seit Anfang der 1990er Jahre beschäftigte sich auch Josef Hatzl aus Bruck mit den steinernen Zeitzeugen.

Ein verschwundenes „Marterl“ aus seinem Heimatort erregte seine Aufmerksamkeit. Bei seinen Recherchen musste er feststellen, dass die Säule im Jahre 1963 im Rahmen der Straßenbaumaßnahmen umgeworfen und in den Straßenuntergrund eingearbeitet worden war.

Die Tuffsäule neben dem „Fellerkistler“-Anwesen in Bruck – heute Seehamer Str. 7 und 9, die 1963 in den Straßenunterbau eingearbeitet wurde. Im Vordergrund Anton Zugliani, der damalige Besitzer des Anwesens.
Die Tuffsäule neben dem „Fellerkistler“-Anwesen in Bruck – heute Seehamer Str. 7 und 9, die 1963 in den Straßenunterbau eingearbeitet wurde. Im Vordergrund Anton Zugliani, der damalige Besitzer des Anwesens.

 

Während der Gelöbnismesse der Wattersdorfer zu Ehren des hl. Sebastian, am 20. Januar 1994, bedauerte Spiritual Kretschmer, dass es keine Gedenktafel für die 391 Pesttoten der Jahre 1632-1634 gibt, die rund um die Brucker Kirche begraben liegen. Diesen Gedanken nahm Josef Hatzl auf; er hatte die Idee, Gedenktafeln in eine Tuffsäule setzten zu lassen, die anstatt des verschollenen Brucker Bildstockes neu errichtet werden sollte. Mit Gisela Pelzer, der Ehefrau des Bürgermeisters, hatte er eine Verbündete dafür gewonnen.

Nachdem die Idee auf allgemeine Zustimmung gestoßen und die Finanzierung gesichert war bekam Steinmetz Anton Baumann aus Ebersberg im Jahre 1995 den Auftrag eine „Pestsäule“ nach historischem Vorbild anzufertigen.

Am 20. Januar 1996 erfolgte die Einweihung der Brucker Pestsäule im Rahmen des Sebastiani-Bittgangs von Wattersdorf nach Holzolling – das Gelübde, am 20. Januar einen Gottesdienst zum Dank für die Verschonung vor der Pest abzuhalten, besteht seit 1634.

Steinmetzmeister Anton Baumann beim Setzen der neuen Tuffsäule im Jahre 1996
Steinmetzmeister Anton Baumann beim Setzen der neuen Tuffsäule im Jahre 1996
Heute fügt sich das Brucker Marterl in das Landschaftsbild ein, wie alle anderen jahrhundertealten Wegsäulen im Gemeindegebiet von Weyarn
Heute fügt sich das Brucker Marterl in das Landschaftsbild ein, wie alle anderen jahrhundertealten Wegsäulen im Gemeindegebiet von Weyarn

Der Arbeitskreis Marterl

Im Rahmen der Expo2000-Ausstellung „Zurückgeblickt“ des Weyarner Arbeitskreises Geschichte, die von Juni bis Oktober 2000 in Weyarn gezeigt wurde, stellte Josef Hatzl einige seiner Forschungsergebnisse rund um die historischen Säulen und Kreuze im Weyarner Gemeindegebiet vor.

Herr Würzl von der Direktion für ländliche Entwicklung, der die Ausstellung besuchte, war von der Präsentation sehr angetan und regte an, einen Arbeitskreis für die Erforschung und Erhaltung der „Marterl“ zu bilden. Gleichzeitig sagte er für dessen Arbeit weitere Zuschüsse aus Mitteln der Dorferneuerung zu.

Auf seinen Vorschlag hin wurde am 16.09.2000 der „Arbeitskreis Marterl“ von Martin Grabmaier, Peter Kallert und Josef Hatzl gegründet.

Damit auch alle rechtlichen Grundlagen für die Restaurierung der steinernen Denkmäler gegeben sind, unterzog sich der Arbeitskreis, zusammen mit Bildhauer TOBEL, einer Prüfung durch das Landesamt für Denkmalpflege.

Das Landratsamt Miesbach, als untere Denkmalschutzbehörde, erteilte mit Bescheid vom 18.10.2001 die Genehmigung für die „Instandsetzung und Restaurierung“ der Tuffsäulen.

Die Gemeinde Weyarn fungiert seither als Schnittstelle zwischen Arbeitskreis Marterl und Denkmalschutzbehörden.

Alle Maßnahmen werden der Gemeinde gemeldet und durch diese dem Landratsamt mitgeteilt.

Zwischenzeitlich haben sich Sepp Reichenberger und Hans Kislinger dem Arbeitskreis Marterl angeschlossen. Reichenberger hat, als Mitarbeiter des Vermessungsamtes Miesbach, die digitale Standortbestimmung der Säulen in die Wege geleitet; Hans Kislinger erstellte einen Rad- und Wanderführer mit Schwerpunkt Marterl und Kulturdenkmale.

 

Die Arbeit des Arbeitskreis Marterl

Neben der Erfassung und Dokumentation der Säulen und Kreuze konnten seit 2001 zahlreiche Restaurierungen durchgeführt werden, mit finanzieller Unterstützung der Direktion für ländliche Entwicklung und der Gemeinde Weyarn; auch viele Spenden von Privatpersonen und Vereinen haben dazu beigetragen.

Aber nicht nur bereits bestehende Säulen galt es zu erhalten, zahlreiche Steine und Kreuze wurden durch intensive Suche oder auch durch Zufall wiederentdeckt.

Am Pfarrhof in Neukirchen waren 2003 zwei Fragmente einer Tuffsäule bei Grabungsarbeiten gefunden worden, eine sogenannte Laterne und ein Teil der Säule. Bildhauer TOBEL hatte die Bruchstücke fachgerecht ergänzt und am Pfarrhof in Neukirchen wiedererrichtet.

Ein Dokument aus dem Jahre 1646 beschreibt eine „alte steinerne Säul am Pfarrhof“; vermutlich wurde dieser Bildstock im Rahmen der Säkularisation beseitigt, ein entsprechender Erlass war 1801 ergangen.

 

Die bei Grabungsarbeiten am Pfarrhof in Neukirchen gefundene Laterne
Die bei Grabungsarbeiten am Pfarrhof in Neukirchen gefundene Laterne
Laterne und Mittelteil der Säule im Original, der Rest konnte ergänzt werden
Laterne und Mittelteil der Säule im Original, der Rest konnte ergänzt werden

 

Als besonders ergiebige Quelle für alte Marterl-Standorte haben sich die alten Flur- und Urvermessungskarten erwiesen.

Ein verschollenes Steinkreuz westlich der Fentbachschanze konnte anhand dieser Karten durch gezielte Suche gefunden, ausgegraben und restauriert werden.

Auch eine Steinsäule am Pfaffensteig, am Grenzgebiet der Gemeinde Weyarn zu Westerham, konnte wiedererrichtet werden. Die Laterne war weit entfernt, mitten im Wald, als Grenzstein missbraucht und durch Zufall entdeckt worden, das Fundament stand einsam und verlassen am ursprünglichen Standort.

Einige Steine waren durch Bebauung oder Straßenverlegung gefährdet.

Auf der Schlosswiese in Wattersdorf stand der „Schloßstein“, als letztes Relikt des 1933 abgerissenen Wattersdorfer Schlosses. Da die Wiese als Baugebiet ausgewiesen worden war, sicherte der Ak Marterl den Stein vor Baubeginn und stellte ihn nach Beendigung der Baumaßnahmen an seinem neuen Standort auf.

Auch eine Säule bei Mittenkirchen musste 2005 für einige Zeit weichen, da die Kreisstraße erneuert und teilweise verlegt worden war.

Die Tuffsäule bei Mittenkirchen, aus dem Jahre 1655. Die Böschung des Hohlweges wurde bei Straßenbaumaßnahmen abgeflacht, dafür musste die Säule weichen.
Die Tuffsäule bei Mittenkirchen, aus dem Jahre 1655. Die Böschung des Hohlweges wurde bei Straßenbaumaßnahmen abgeflacht, dafür musste die Säule weichen.
Bildhauer TOBEL in seinem Atelier, bei der Arbeit am Bildstock
Bildhauer TOBEL in seinem Atelier, bei der Arbeit am Bildstock
Das Fundament und die beiden Teile der Säule vor dem Aufstellen
Das Fundament und die beiden Teile der Säule vor dem Aufstellen

Der neue Platz wurde in Abstimmung mit dem Grundeigentümer in der Nähe des ehemaligen Standortes festgelegt.
Der neue Platz wurde in Abstimmung mit dem Grundeigentümer in der Nähe des ehemaligen Standortes festgelegt.

Oftmals schlagen gutgemeinte Restaurierungsversuche von Privatpersonen fehl, besonders wenn die geschichtliche Grundlage über das Geschehene fehlt. Bestes Beispiel hierfür ist die unfachmännische „Restaurierung“ eines Tuffkreuzes in Kleinseeham.

Hier war der Gedenkstein abgebrochen und eingewachsen. In bester Absicht hatte man Mitte der 1980er Jahre das Kreuz geborgen, hergerichtet und neu aufgestellt. Allerdings wurde das gleichschenkelige Kreuz auf den Kopf gestellt und falsch datiert:

aus 1684 wurde 1894.

Der Arbeitskreis Marterl hat hier, wie bei den anderen Säulen auch, die Geschichte erforscht und den Fehler berichtigt.

Nun erinnert der Stein wieder an das Ereignis, als 1684 der Maierbauer Johannes (Hans) Hager (HH) vom Baum gefallen war und verstarb. Seine junge Witwe ließ ihm zum Gedenken dieses Kreuz errichten.

Durch die Restaurierung im Jahr 2001 kam auch zum Vorschein, dass die untere Hälfte des Schaftes einbetoniert worden war, dieser wurde freigelegt.

Nun zeigt das Kreuz wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild.

 

 

 

Das auf den Kopf gestellte und falsch datierte Kreuz (das Monogramm befindet sich unterhalb der Jahreszahl)
Das auf den Kopf gestellte und falsch datierte Kreuz (das Monogramm befindet sich unterhalb der Jahreszahl)
Nach der Restaurierung durch den Arbeitskreis Marterl war das Steinkreuz wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt (das Monogramm über der Jahreszahl)
Nach der Restaurierung durch den Arbeitskreis Marterl war das Steinkreuz wieder in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt (das Monogramm über der Jahreszahl)

 

Bei Straßenbauarbeiten in Fentbach, in den 1960er Jahren, ist der sogenannte Ritterstein am Sockel abgebrochen.

Anstatt den Fuß der Säule fachgerecht zu restaurieren und sie wieder originalgetreu aufzustellen wurde der Sockel durch das Straßenbauunternehmen kurzerhand einbetoniert.

Als die Straße durch Fentbach im Jahre 2004 um einen Fußweg verbreitert wurde, war die Säule auf die andere Straßenseite versetzt worden. Der Arbeitskreis nutzte die Situation um den Sockel freizulegen und die Säule zu restaurieren.

 

Mehr als 30 Jahre war der Fuß der Säule in einem Betonsockel eingegossen
Mehr als 30 Jahre war der Fuß der Säule in einem Betonsockel eingegossen
Der Ritterstein nach der Restaurierung im Jahr 2004 mit dem freigelegten Fuß
Der Ritterstein nach der Restaurierung im Jahr 2004 mit dem freigelegten Fuß

Traurige Begebenheiten haben meist zum Aufstellen der Gedenksäulen geführt. Der Arbeitskreis Marterl hat in den letzten Jahren viele davon erforscht.

Allerdings gibt es auch einige Dinge, die zum Schmunzeln verleiten, so ist beim Westiner in Gotzing eine wunderschöne Barocksäule entstanden, von der es heißt, dass sie wegen eines Ehebruchs aufgestellt wurde.

„GOT[T] SICHT ALLES“ steht auf der Rückseite des Steins, darüber ist in römischen Ziffern die Jahreszahl 1830 eingemeißelt.

 

1646 hat sich Probst Valentin Steyrer in einem Brief bei seinem Kurfürsten beschwert, dass in Neukirchen die „abergläubigen Pfarrkinder“ ihrem getreuen Seelsorger Pater Loy, der bereits 50 Jahre in der Pfarrei wirkt, die Martersäule am Pfarrhof zum Trotz öfter niedergerissen haben, er sie jedoch immer wieder errichtete, bis er sie endlich mit starken eisernen Klammern befestigt hat.

 

Die Liste der Flurdenkmale im Landkreis Miesbach ist lang.

Mehr als 140 Grenz- und Gedenksteine, Wegsäulen und Kreuze sind in der Denkmalliste eingetragen. Mehr als ein Viertel davon steht in der Gemeinde Weyarn – eine beachtlich hohe Zahl.

Dass die älteren Bildstöcke die Wirren der Säkularisation überstanden haben grenzt an ein Wunder, da eine Verordnung Anfang des 19. Jahrhunderts bestimmte Heiligenbilder und Marterl, Feldkreuze und Wegkapellen niederzureißen.

Viele Bildstöcke mögen damals verschwunden sein.

 

Der Arbeitskreis Marterl ist bemüht die noch verbliebenen Denkmale zu erhalten und deren Wertschätzung in der Bevölkerung zu stärken. Hierzu soll neben den Beiträgen des Bayerischen Fernsehens aus den Jahren 2003 und 2009 über den Ak Marterl auch der Film „Marterl in Weyarn“ beitragen, der 2006 gedreht wurde und über die Arbeit des Arbeitskreises berichtet. Auch ein Rad- und Wanderführer zu den Marterln in der Gemeinde Weyarn soll die Bedeutung der steinernen Zeitzeugen heben.

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