Farben, Formen und Räume

der Künstler Rudolf Orny

  (1920 - 2005)

 

Nähert man sich dem Weyarner Rathaus von Norden, so fällt die überlebensgroße Bronzeskulptur „Die Schreitende“ von Ludwig Orny ins Auge. Ein ebenso ästhetisches wie beeindruckendes Kunstwerk. Obwohl Orny viele Jahre am Seehamer See lebte, sind seine Werke kaum bekannt.

Ludwig Orny mit einem seiner Werke
Ludwig Orny mit einem seiner Werke

 

Schon zum zweiten Mal darf ich die Künstlerwohnung der Familie Orny in der Münchner Innenstadt besuchen. Helga Orny führt uns in das große Atelier, in dem Ludwig Orny seit 1950 und bis zu seinem Tod im Jahr 2005 lebte und arbeitete. Hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Man hat das Gefühl, der Künstler habe eben den Raum verlassen, alles scheint noch an seinem Platz. An den hohen Wänden hängen zahlreiche Bilder unter­schied­lichster Technik und aus verschiedenen Schaffens­perioden dicht gedrängt nebeneinander. Wir sind umgeben von Installationen und Skulpturen aus Holz, Pappe und Bronze. Am Boden liegt ein riesiger Teppich, den Ludwig Orny designt hat.

 

„Das funktionierte immer alles“

Die Vielseitigkeit der künstlerischen Arbeiten Ornys ist überwältigend. Ornys künstlerisches Schaffen passt in kein Schema der Kunstkritik und zeigt doch eine eindeutige Handschrift. Helga Orny hat dafür eine simple Erklärung: Ihr Mann habe immer wieder Neues ausprobiert und sei dann, wenn er es beherrschte, zum nächsten übergegangen. „Er war, was man heutzutage einen ‚Macher‘ nennt“, sagt sie, „Das funktionierte immer alles.“ Die Vermarktung seiner Kunst habe ihn nie interessiert. Den Frei­raum für seine künstlerische Tätig­keit verschaffte Orny der ein­trägliche Brotberuf: Der gelernte Plakat- und Schriftenmaler fertigte seit den 1950er-Jahren für die großen Münchner Kinos riesige Film­reklame­bilder und aufwändige Installationen und war damit sehr erfolgreich. In seiner Werkstatt beschäftigte er mehrere Mitarbeiter. Doch Orny wollte immer Künstler sein und hatte wegen des Studiums an der Münchner Akademie der Bildenden Künste bereits in jungen Jahren seine Heimatstadt Bratislava ver­lassen.

Wiederkehrende Motive und Farbenspiele

Der souveräne Umgang mit Farben, Formen und Kompositionen zeichnet Ornys einzigartiges künstlerisches Werk aus. Einige Motive wie schlanke, tänzelnde Figuren greift er sein ganzes Leben lang auf. Er entwickelt sie weiter, stellt Serien in korrespondierenden Farben her, schließlich sind es nur noch Linien und geometrische Flächen, die dennoch eindeutig als Figuren in unterschiedlichsten Posen identi­fi­zierbar sind. Meisterlich! Auch Natur und Landschaften werden vom Gegenständlichen weg und immer mehr ins Abstrakte getrieben, bis Naturphänomene und Stimmungen ausschließlich über Farbe und Struktur erfahrbar sind. Viele dieser Bilder entstanden in den 1960er-Jahren und waren ganz gewiss durch die Umgebung geprägt – 1959 richteten sich die Ornys ein Atelierhaus in Großseeham in der heutigen Gemeinde Weyarn ein, das sie mehr als 40 Jahre lang hielten. Daneben erwarben die Ornys eine alte Ölmühle auf Korfu, die zu einem Gesamtkunstwerk mit Bodenmosaiken aus Muranoglas, bemalten Wänden und lichten Räumen umgebaut wurde. Griechenland animierte Orny zu naturalistischen und realistischen Bildern. Seine Motive sind Olivenbäume, Badende im Meer, Land­schaften und Orny geht es einmal mehr darum, auf zwei­dimen­sionalen Flächen Räume zu erzeugen.

Ebenso ästhetisch wie ausdrucksstark sind die von Orny entwickelten Polytychoi, man könnte sie als Mosaik aus einzelnen Bildern mit geo­me­tri­schen Formen wie Linien, Rechtecken, Dreiecken oder Mustern bezeichnen, die farblich aufeinander Bezug nehmen und in einem Alu-Rahmen angeordnet werden. Die Arbeiten entstanden insbeson­dere Ende der 1960er-Jahre und sind zeitlos modern.

Schließlich müssen noch die figürlichen Skulpturen aus ganz unter­schiedlichen Materialien genannt werden. „Die Schreitende“ am Weyarner Rathaus ist eines der wenigen Werke von Ludwig Orny im öffentlichen Raum.

 

Erste Ausstellung in der Region

Es ist kaum zu glauben, dass ein so begabter und vielseitiger Künstler wie Ludwig Orny fast unbekannt ist. Ja, man habe gewusst, dass da ein Künstler wohnt, sagen die Seehamer. Als Kinder seien sie immer wieder zwischen den mannshohen weißen Polyesterskulpturen im Garten der Ornys durchgelaufen. Aber der Künstler hatte wenig Kontakt zu den Leuten am Ort und eine Ausstellung mit Werken von Orny hat es in der Region nie gegeben. So ist Ludwig Ornys künst­le­ri­sches Werk selbst dort, wo er lange Zeit arbeitete, gänzlich unbekannt.

Das soll sich nun ändern: Der Förderverein Kultur & Geschichte in Weyarn plant für 2023 eine Kunstausstellung mit Werken Ludwig Ornys in Weyarn.

 

Katja Klee